Die Zahlenpredigt vom 1. Advent 2016
Liebe Gemeinde,
ich möchte diese Predigt mit einer Scherzfrage beginnen: Wissen Sie, wer der erste Informatiker war? Die Lösung kann ich Ihnen sofort sagen, das war Jesus, aber warum, das erfahren Sie erst später. Fangen wir also erst einmal mit dem eigentlichen Thema dieser Betrachtung, den Zahlen an.
Wie die meisten Menschen auf dieser Erde können wir froh sein. dass wir überhaupt Zahlen kennen. In Afrika, Australien, im Pazifik gibt es Naturvölker, die nur „eins“, „zwei“ und „viele“ kennen, wobei sich die Forscher nicht mal einig sind, ob die Worte für eins und zwei nicht eher „wenige“ und „mehrere“ bedeuten.
Das bei uns heute übliche Stellenwertsystem (1er, 10er, 100er,...) kam ursprünglich aus Indien und wurde um das Jahr 1550 von Adam Riese im deutschsprachigen Raum verbreitet. Dank dieses Systems sind wir also in der glücklichen Lage, beliebig grosse Zahlen und diese erst noch in jeder gewünschten Genauigkeit aufzuschreiben.
1. Zahlen im AT
Bau des Salomon-Tempels
Eine der für Mathematiker interessantesten Bibelstellen betrifft die Beschreibung des Tempels, den König Salomon bauen liess. Dort ist von einem grossen Wasserbecken vor dem Tempel die Rede, das hier als „Meer“ bezeichnet wird. Im 1. Buch der Könige 7,23 heisst es:
Und er machte das Meer, gegossen, von einem Rand zum andern zehn Ellen weit, ganz rund und fünf Ellen hoch, und eine Schnur von dreißig Ellen war das Mass ringsherum.
Wenn man das liest, kommen doch sofort wieder Erinnerungen an die Schulmathematik hoch: Ganz rund, also Kreis, von einem Rand zum anderen 10 Ellen, das ist der Durchmesser, und das Mass ringsherum ist der Umfang, hier 30 Ellen. Wir erinnern uns alle, dass das Verhältnis von Umfang zu Durchmesser eines Kreises durch die Zahl Pi = 3,1415... gekennzeichnet ist, und wenn man bei der Bibelstelle Umfang durch Durchmesser teilt, also 30 Ellen durch 10 Ellen, so kommt man auf 3, eine für alttestamentarische Zeiten (das Buch entstand ca. 500 v.Chr.) akzeptable Annäherung an die Zahl Pi!
Numeri
Die Bibel ist voll von Zahlen, besonders im 4. Buch Mose, welches sogar den Titel „Numeri“, Zahlen trägt. Zu Beginn dieses Buches sind die Israeliten gerade 2 Jahre in der Wüste, und Gott gibt den Auftrag, das Volk Israel nach Geschlechtern und Sippen zu zählen, und das hört sich (leicht gekürzt) so an (4. Mose 2):
Und der Herr redete mit Mose und Aaron und sprach:
Die Israeliten sollen sich um die Stiftshütte lagern, ein jeder bei seinem Banner und Zeichen, nach ihren Sippen.
Nach Osten soll sich lagern das Banner des Lagers Juda mit seinen Heerscharen: sein Fürst Nachschon, und sein Heer, 74’600 Mann.
Neben ihm soll sich lagern der Stamm Issachar und sein Heer, 54’400 Mann.
Dazu der Stamm Sebulon und sein Heer, 57’400 Mann,
sodass alle, die ins Lager Juda gehören, seien zusammen 186’400 Mann. Und die sollen zuerst aufbrechen.
Und so geht das weiter, das werden Volker, Stämme und Erstgeborene gezählt in einer Art, die jeder modernen Statistik zur Ehre gereichen würde.
Und bevor uns nun schwindlig wird von all diesen Zahlen, singen wir
Lied 531 „Weisst Du wie viel Sternlein stehen“ 1 & 2. Strophe gem. Liedblatt
Im Original ist in der 2. Strophe von Mücken die Rede, die in der heissen Sommerglut tanzen; ich habe mir erlaubt, eine der Jahreszeit angepasste Strophe zu dichten, die Sie unten am Ende dieser Seite finden.
2. Zahlenmystik & Zahlen im NT
Wenn von Zahlen in der Bibel die Rede ist, darf man nicht vergessen, dass die Hebräer keine eigenen Zeichen oder Symbole für die Zahlen hatten. Um dennoch mit Zahlen hantieren zu können, hat man einfach jedem Buchstaben einen Zahlenwert zugeordnet und irgendwo noch ein kleines Häkchen angebracht, damit klar ist, dass nun eine Zahl und kein Buchstabe gemeint ist. So entsprechen den Buchstaben Aleph, Beth und Gimel die Zahlen 1,2 und 3, und den beiden letzten Buchstaben Shin und Thaw die Zahlen 300 und 400.
Diese Methode lädt dann natürlich zu allerlei Zahlenspielereien ein, wie man am Beispiel des Namens von König David sehen kann.
David wird auf Hebräisch mit den Konsonanten Daleth, Waw und Daleth geschrieben, (also „DVD“). Nach der erwähnten Methode entspricht Daleth dem Wert 4 und Waw dem Wert 6, zusammengezählt also 4+6+4 = 14, und schon haben wir die Erklärung dafür, dass 14 auch als Davidszahl bezeichnet wird.
Und wenn es dann bei Matthäus heisst:
"Alle Geschlechter also von Abraham bis David sind vierzehn Geschlechter, und von David bis zur Wegführung nach Babylon sind es vierzehn Geschlechter, und von der Wegführung nach Babylon bis zu Christus vierzehn Geschlechter." (Matthäus 1:17) dann sind diese Zahlen mit Vorsicht zu geniessen. Offenbar ist Matthäus hier der Versuchung erlegen, einen Zusammenhang mit der Zahlenmystik zu konstruieren. Er beschreibt hier 3 mal 14 Generationen. Durch diesen Bezug zur Davidszahl 14 soll die Abstammung Jesu von David untermauert werden, und durch das Vorkommen der 3 wird eine Verbindung zu Gott hergestellt. Und offenbar hat bei Matthäus der Zweck die Mittel geheiligt, denn er hat bei der Zählung einige Namen weggelassen, wie man durch Vergleich mit der Beschreibung von Davids Nachfahren im 1. Kapitel der 1. Chronik feststellen kann.
Noch ein Beispiel:
Es gibt eine Stelle in der Bibel, (1. Mose 14,14) wo z.B. von 318 Sklaven des Abraham die Rede ist, mit denen er irgendwo hinzieht. 318 Sklaven? Niemand hat so viele Sklaven! Aber Abraham hatte einen Hauptsklaven namens „Eliëser“, und der Zahlenwert dieses Namens nach den obengenannten Regeln entspricht genau 318. Was also eigentlich gemeint ist, ist, dass ALLE Sklaven (also vermutlich deutlich weniger als 300) unter der Führung dieses „Eliëser“ loszogen.
In dem nun folgenden Lied „Das Kartenspiel“ von Bruce Low, das wir auf der Leinwand sehen, geht es um biblische Zusammenhänge mit einigen Zahlen und weitere interessante Erkenntnisse.
3. Besondere biblische Zahlen
Wie wir in dem Lied gesehen und gehört haben, gibt es in der christlichen Tradition viele Zahlen mit eine besonderen Bedeutung:
1 - Die Zahl der absoluten Vollkommenheit und Einheit; die Einheit, aus der alles Vielfältige entspringt, der EINE Gott.
3 - Die Zahl Gottes: Die Dreieinigkeit der Gottheit. Aller guten Dinge sind drei.
4 - Die Zahl der Weltschöpfung: 4 Himmelsrichtungen, 4 Jahrszeiten, 4 Flüsse aus dem Garten Eden, 4 Evangelien, 4 klassische Elemente (Feuer, Wasser, Erde Luft).
7 - Die Zahl der Vollkommenheit: in 7 Tagen wurde die Welt erschaffen, daher unsere 7 Wochentage; 7 Tage dauern viele jüdischen Feste: Laubhüttenfest, Chanukka....), 7 Lampen des goldenen jüdischen Leuchters
12 - Die Zahl der von Gott anvertrauten Verwaltung: 12 Söhne Jakobs, daraus dann die 12 Stämme Israels; 12 Jünger Jesu, 12 Tagesstunden, 12 Monate, 12 Rinder unter dem ehernen Meer (s. Bild)
14 – Die Davidszahl, wie schon besprochen, deutet auf die Abstammung Jesu hin. Und auch im Barock spielte man immer noch gern mit dem Zahlenalphabet und so ergibt der Name des Komponisten J.S.Bach, BACH= 2+1+3+8=14, So ist es für einige Musikwissenschaftler mehr als nur Zufall, dass Bach 14 Kanons für die Goldberg-Variationen oder 14 Fugen für die „Kunst der Fuge“ komponierte...
40 - Zahl der Prüfung: 40 Tage und Nächte Flutregen bei der Sintflut;
40 Tage und Nächte war Mose auf dem Sinai; 40 Jahre wanderten die Israeliten durch die Wüste; 40 Tage war Jesus in der Wüste und wurde vom Satan versucht; 40 Tage Fastenzeit, und 40 Tage zwischen Ostern und Auffahrt.
Und nun singen wir ein Lied in dem die Zahl 1000 vorkommt , die ja auch bei uns im Alltag in ihrer griechischen Form oft auftaucht (kg, km, kJ für Ernährungsbewusste). Hier in diesem Lied steht 1000 wohl als Platzhalter für eine grosse, sehr grosse, vielleicht unermesslich grosse Zahl:
Loblied 728,1 & 10 „O dass ich 1000 Zungen hätte“
4. Jesus, der erste Informatiker
In der Bergpredigt (Matth. 5,37) Jesus spricht über das Schwören, dass man nicht beim Himmel, der Erde, oder seinem eigenen Kopf schwören soll und endet:
Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.
Bibelfeste Zeitgenossen haben diese Stelle schon dazu verwende,t um ihre geschwätzigen Frauen zurückzubinden oder die Kinder zu kurzen Telefonaten anzuhalten. Der Informatiker und Mathematiker erkennt hier jedoch einen anderen Zusammenhang: das „ja“ kann als Zahl eins und das „nein“ als Null verstanden werden, und damit sind wir schon bei dem Zahlsystem, mit dem alle Computer rechnen, nämlich mit Nullen und Einsen. „Ja, ja, nein, nein“ kann also (zugegebenermassen mit etwas Phantasie) als 1-1-0-0 gelesen werden, was dann übrigens im erwähnten Zahlsystem der Computer wieder für die Zahl Zwölf steht. Und es ist eben genau diese Bibelstelle, auf die die scherzhafte Feststellung zurückgeht, dass Jesus der erste Informatiker gewesen sei.
Zahlen wirken auf uns Menschen oft überzeugender, amtlicher, glaubwürdiger als Worte. Zahlen "sprechen" vom Geordneten (z.B. in der Physik) , Rhythmischen (z.B. in der Musik), Abgemessenen (im täglichen Leben) – im Unterschied zum Chaos. Deshalb können sie in gewisser Weise als „göttlich" verstanden werden".
Von André Weil (1906-1998), einem französischen Mathematiker, der im letzten Jahrhundert gelebt hat, gibt es den schönen Satz:
Gott existiert, weil die Mathematik widerspruchsfrei ist, und der Teufel existiert, weil wir das nicht beweisen können.
Er bezieht sich dabei auf eine Folgerung aus dem sog. Unvollständigkeitssatz des Mathematikers Kurt Gödel, der besagt, dass es in gewissen logischen Systemen Aussagen geben muss, die man formal weder beweisen noch widerlegen kann. Daraus folgt dann, dass es unmöglich ist, die Widerspruchsfreiheit der Mathematik zu beweisen. Widerspruchsfrei heisst dabei, dass man aus den anerkannten Grundsätzen der Mathematik nicht die gleichzeitige Gültigkeit einer Aussage und deren Gegenteil herleiten kann.
Und Galileo Galilei hat gesagt:
Mathematik ist das Alphabet, mit dessen Hilfe Gott das Universum beschrieben hat.
Diese Aussage hat er wohl u.a. auf die damals bekannten Erkenntnisse in Musik und Astronomie bezogen, wie sie z.B. Johannes Kepler, ein Zeitgenosse Galileis, in seinen „5 Büchern über die Harmonik“ der Welt beschrieben hat.
Aber auch neueren Erkenntnissen der Naturwissenschaften hält das stand: Es gibt in der Physik eine Grösse (Feinstrukturkonstante), in die verschiedene Naturkonstanten wie die Lichtgeschwindigkeit oder die elektr. Ladung des Elektrons einfliessen, und man hat herausgefunden, dass wenn diese kombinierte Grösse nur etwa 4% von dem Wert, den sie hat, abweichen würde, sich in den Sternen kein Kohlenstoff bilden könnte, der Stoff auf dem alles Leben auf der Erde aufgebaut ist! Es gibt weitere Naturkonstanten, bei denen selbst eine kleine Abweichung vom beobachteten Wert dazu führen würde, dass kein Atom, kein Molekül, keine Schneeflocke zusammenhalten würde. Darum, wie wir vorher schon gesungen haben: "Gott, der Herr, hat es gegeben, dass sie fest zusammen heben…" Und in diesem Umstand spiegelt sich auch mein persönliches Verständnis von Gott wieder: Gelegentlich werde ich gefragt, wo denn in meinem weitgehend von wissenschaftlichen Erkenntnissen geprägten Weltbild noch Platz für Gott ist. Und nachdem ich dann irgendwann den lieben Gott meiner Kindheit, den weissgewandeten alten Mann mit Bart, in den Ruhestand geschickt habe, sage ich nun: Gottes schöpferische Kraft zeigt sich – unter anderem – in genau dieser Feinabstimmung der Naturkonstanten, die die Welt zusammenhalten und nicht sofort wieder im atomaren Chaos versinken lässt. - Mathematik ist das Alphabet, mit dessen Hilfe Gott das Universum beschrieben hat.
Und wenn ich mir nun all das überlege, was wir im Rahmen dieser Predigt betrachtet haben, gelange ich zu der Überzeugung, dass Johannes nicht völlig falsch gelegen hätte, wenn er zu Beginn seines Evangeliums geschrieben hätte: „Im Anfang war die Zahl, und die Zahl war bei Gott, und Gott war die Zahl“ (nach Joh. 1,1).
Amen.
Martin Knitsch, 27. November 2016
Weisst du, wie viel Flöckli fallen
in der kalten, dunklen Nacht?
Wie sie dir und mir, uns allen,
schenken weisse Winterpracht?
Gott, der Herr, hat es gegeben,
dass sie fest zusammen heben,
und sie Klein und Gross erfreuen,
und sie Klein und Gross erfreu'n!